Vortrag: Samuel Schirmbeck – Der fatale Umgang der Linken mit dem Islam | 5.12.2018 | Laidak

„Solidarität“ ist zweifellos einer der zentralen Begriffe der historischen wie der heutigen Linken. Laut Brecht liegt in ihr die Stärke der Arbeiter; man solle sie auch beim „Hungern und beim Essen“ nicht vergessen. Für Che Guevara war sie die „Zärtlichkeit der Völker“ und für Norbert Blüm „die politische Form der Nächstenliebe“. In ihren Genuss kommt, wer zu den Unterdrückten gehört, über deren Schicksal die Welt aufgeklärt werden muss. Oder auch zu den Widerständigen, deren Kampf internationaler Unterstützung bedarf.
Verfolgt zu werden und beim Freiheitskampf Risiken einzugehen reicht jedoch allein noch nicht aus, um linke Solidarität zu erfahren. Als in den späten 1980ern Millionen radikaler Moslems die Ermordung des Schriftstellers Salman Rushdie forderten, gingen die Ansichten liberaler Intellektueller bereits auseinander: Es wurde in nüchternem Ton debattiert, ob Kunst- und Redefreiheit es wert seien, gegen den Lynchmob auf den Straßen Bradfords und Teherans verteidigt zu werden. Zwanzig Jahre später fiel das Urteil gegenüber Ayan Hirsi-Ali nicht weniger beschämend aus – unter europäischen Linken galt sie als „Fundamentalistin der Aufklärung“ und musste letztlich in den USA Zuflucht nehmen. Als den überlebenden Journalisten von Charlie Hebdo ein PEN-Preis für „Mut zur Meinungsfreiheit“ verliehen werden sollte, ging die progressive literarische Elite auf die Barrikaden: keine Ehrung für Rassisten und Islamophobe! Auf das „Veto der Mörder“ folgte der „Verrat der Intellektuellen“. Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
In seinem neuen Buch „Gefährliche Toleranz. Der fatale Umgang der Linken mit dem Islam“ geht der Schriftsteller, Dokumentarfilmer und Journalist Samuel Schirmbeck den Gründen für diesen Verrat nach. Etwa: warum leben Hamed Abdel-Samad und Seyran Ates unter Polizeischutz, während in Moscheen und islamischen Verbänden ungestraft die gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben wird? Warum soll das Recht zur sexuellen Freizügigkeit nicht für alle Menschen gelten? Kann die postkoloniale Erbschuld – und mit ihr der westliche „Schuldkomplex“ (Pascal Bruckner) – jemals gesühnt werden? Oder bleibt dem ewig schuldigen Westen nichts anderes übrig, als sich selbst in Permanenz zu verdammen und seinen Feinden Schützenhilfe zu leisten? Toleranz gegenüber dem radikalen Islam als Akt der Wiedergutmachung? Ein linker Orientalismus als progressive Leitkultur?
Die Gesprächspartner von Samuel Schirmbeck, die Blogger, Forscher, Flüchtlingshelfer, Journalisten und Psychoanalytiker, die in „Gefährliche Toleranz“ zu Worte kommen, fordern ein Ende der Toleranz mit dem reaktionären Islam und die kompromisslose Verteidigung der universalistischen Werte der Aufklärung. Jeder, beileibe nicht nur die Linke im Westen, täte gut daran, genau auf diese Stimmen zu hören, denn sie stammen nicht selten von den besten Kennern sowohl der Aufklärung als auch ihrer ärgsten Feinde.

05.12.2018 / 19:30
Schankwirtschaft Laidak
Eintritt: 2 Euro

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